„Da war nur ein Vater, der verzweifelt war“

01.07.2025

Im Hochsommer 2023 geschieht das Unfassbare für Salih Sabri Demirbilek: Sein Sohn Ahmet hat einen schweren Fahrradunfall. Der heute 15-Jährige trägt keinen Helm, als er mit dem Kopf auf dem Asphalt aufschlägt. Es folgt eine Woche im Koma, danach schließen sich Monate im Krankenhaus, mehrere Operationen und schließlich Reha an. Der fünffache Vater bangt Wochen um das Leben seines Sohnes. Heute spielt Ahmet wieder Basketball – aber sein Schädel ist immer noch nicht vollständig geschlossen. Wenn die Knochen bis zu seinem 18. Lebensjahr nicht wachsen, muss erneut operiert werden. Hier erzählt der seit 2014 bei DB Regio Straße NRW arbeitende Busfahrer, wie er diesen schrecklichen Tag erlebt hat.

„Jeder hat eine Geschichte“

Ich heiße Salih Sabri Demirbilek und bin 1978 in der Türkei geboren. Ich arbeite seit 2014 bei der Nahverkehr Ostwestfalen, seit 2020 in der Einsatzstelle Herford. Davor war ich in Minden und Detmold. Ich habe fünf Kinder und wir leben in Bad Oeynhausen, ungefähr zehn Kilometer entfernt von Herford. Jeder hat eine Geschichte. Jetzt werde ich versuchen, unsere Geschichte auf meine eigene Art aufzuschreiben. Sie begann am 7. August 2023, aber die Nacht davor war für mich schon schlaflos und unruhig gewesen. Vielleicht war es ein Vorbote dessen, was am nächsten Tag passieren würde.

„Es sollte nicht regnen“

Ahmet hatte etwa zwei Jahre zuvor mit Basketball angefangen und wartete an diesem Tag auf seine erste Trainingseinheit nach den Ferien. Als er mittags von der Schule kam, telefonierten wir, und er fragte mich, ob ich ihn später zum Training mitnehmen würde. Ich sagte ihm, dass wir schauen würden, ob am Abend Zeit sei. Das Wetter war wechselweise sonnig, windig und gelegentlich regnerisch. Ahmet war die letzten zwei Monate wegen des guten Wetters mit dem Fahrrad zum Training gefahren. Als ich an diesem Tag erst nach 17 Uhr nach Hause kam, hatte er schon mit seinem Freund telefoniert. Sie wollten sich treffen und dann zum Training gehen. Ich sagte ihm, dass er, wenn er wollte, mit dem Fahrrad fahren könnte. Ich schaute auf die Wettervorhersage und dort stand, dass es nicht mehr regnen würde. Nachdem ich mich umgezogen hatte, sah ich, dass Ahmet schon weg war. Ich wusste nicht, ob er seinen Helm trug. Darauf achte ich sonst immer genau.

„Ich fühlte mich seltsam“

Gegen 19 Uhr überkam mich eine Schwere und ich fühlte mich seltsam. Ich ging vor die Tür, um zu rauchen. Das Polizeiauto traf etwa zehn Minuten später ein. Zwei Polizistinnen kamen auf mich zu und sagten mir mit ihren Blicken, dass die Situation ernst sei. Sie fragten mich nach Ahmets Familie, und ich sagte ihnen, dass ich sein Vater sei. Zuerst sagten sie mir, ich solle mich beruhigen, und nach diesen Worten schaute ich sofort in die Garage und sah, dass die Helme noch an ihrem Platz waren. Mir wurde klar, dass etwas Schlimmes passiert war, und ich brach zusammen und weinte. Sie erzählten mir, dass Ahmet einen Unfall hatte und im Krankenhaus lag. Ich sprang sofort ins Auto und fuhr los. Als ich im Krankenhaus ankam, sagte mir niemand etwas. Ich hatte keine Ahnung, ob Ahmet tot oder lebendig war. Es war mir in diesem Moment egal, wer recht oder unrecht hatte, wie der Unfall passierte oder was passiert war. Da war nur ein Vater, der verzweifelt war.

„Ahmet prallte seitlich auf das Auto“

Was war passiert? Beim Radfahren änderte die Route, die Ahmet nahm, aufgrund von Brückenbauarbeiten immer die Richtung. Als ihm klar wurde, dass die Straße zu Ende war, fuhr er, anstatt die Ampel zu nehmen, achtlos mit seinem Fahrrad auf die Straße und vor einen am Straßenrand geparkten Kleinbus. Ahmet prallte seitlich auf das Auto, wurde durch den Aufprall nach hinten geschleudert und schlug mit dem Kopf auf dem Bürgersteig auf. Ein Hubschrauber brachte Ahmet in letzter Minute ins Krankenhaus.

„Ich verstehe mich als Orientierungshilfe“

Die Diplom-Sozialarbeiterin Bettina Wallat-Bese arbeitet seit 15 Jahren bei der Stiftungsfamilie und bildet sich gerade zur systemischen Beraterin weiter. Die 43-Jährige hatte Salih Sabri Demirbilek schon vor dem Schicksalsschlag vor knapp zwei Jahren kennengelernt. „Als sich Salih Sabri Demirbilek dann an uns wandte und von Ahmets Unfall erzählte, hat mich das sehr beschäftigt. Als Alleinverdiener ist es ja ohnehin nicht leicht, und zum Zeitpunkt des Unfalls war seine Frau schwanger. Das lief alles nicht so glatt und dann passiert auch noch so etwas Schlimmes. Für mich stand zunächst die Seelsorge an erster Stelle. Die psychische Belastung für Salih Sabri Demirbilek war natürlich enorm. Wir haben auch finanziell unterstützt, aber vor allem habe ich dem Vater Möglichkeiten der Hilfe über die Stiftungsfamilie und über unsere externen Partner bzw. Anlaufstellen aufgezeigt: Antragstellung zu den Themen Pflege und Teilhabe, falls Ahmet nicht wieder ganz gesund wird, eine zeitweise Haushaltshilfe, bezuschusste Urlaube oder eine Kur.“

Wir freuen uns sehr mit Salih Sabri Demirbilek, dass es seinem Sohn Ahmet den Umständen entsprechend gut geht. Und wir drücken ganz fest die Daumen für eine vollständige Gesundung!

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