"Die Kuren waren lebensumwälzend"

07.11.2025

 Sandra Blumenstein machte 2011 ihre erste Mutter-Kind-Kur in Haus Möwennest, der Kurklinik der Stiftung EWH. Rund zehn Jahre war sie da schon bei der Deutschen Bahn und fast genauso lange auch Mitglied in der Stiftungsfamilie. Eine Betriebsrätin bei der damaligen DB Projektbau hatte ihr den kollegialen Tipp gegeben. Mit dem fünfjährigen Oscar und der zweijährigen Martha ging es im Mai für drei Wochen auf die Sonneninsel Usedom – und diese Auszeit war bitter nötig, denn zwei Monate später starb ihre schwer kranke Mutter.

 „Ich musste Energie tanken“

„Das war eine schlimme Zeit“, erzählt uns die heute 48-Jährige. „Meine Mutter hatte Krebs und war schon im Hospiz. Wir haben natürlich täglich von der Kur aus telefoniert, aber ich brauchte da­mals einfach Zeit für meine Kinder, die durch die Umstände zu kurz kamen. Und ich musste selbst Energie tanken. Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich mich im Haus Möwennest total gut aufgehoben gefühlt habe. Nicht wie eine Patientin, sondern ich fühlte mich unterstützt.“

„Ich habe gelernt, Hilfe anzunehmen“

Um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten, wandte sich Sandra Blumenstein an eine psychologische Beratungsstelle in ihrem Heimatort. Dies half ihr zunächst. Als 2012 ihr drittes Kind zur Welt kam, war jedoch klar, dass etwas im Argen liegt: Liese musste wegen Schwangerschaftsvergiftung in der 31. Woche per Kaiserschnitt geholt werden. „Mein Körper konnte das alles nicht verkraften“, erinnert sich die Mutter. „Mein Vater musste ja auch gestützt werden, und unsere Kinder Oscar und Martha sollten doch möglichst unbeschwert sein dürfen. Ich erholte mich zwar nach der Geburt körperlich ganz gut, aber Liese musste aufgrund der Frühgeburt kardiologisch intensiv behandelt und betreut werden und noch mehrere Wochen in der Klinik bleiben. Das hieß Medikamente in den ersten Monaten und engmaschige ärztliche Betreuung. Nach Lieses zwei holprigen ersten Lebensjahren entwickelte sie sich ganz normal. Heute ist sie noch mit Augenproblemen in Behandlung bei Augenspezialisten.“

 
— Die dreiwöchige Mutter-/ Vater-Kind-Kur wird i.d.R. alle vier Jahre von der Krankenkasse gewährt und findet in Haus Möwennest auf der Sonneninsel Usedom statt. Neben Präventivmaßnahmen und Entspannungstherapien bieten wir auch Gruppen- und Einzelgespräche an.  Weitere Infos und Termine: www.stiftungsfamilie.de

„Das war eine tolle Familienzeit“

2015 beschlossen Sandra Blumenstein und ihr damaliger Mann, mit der gesamten Familie eine Kur im Haus Möwennest zu machen. „Meine Erfahrungen in der ersten Kur waren so gut, dass ich unbedingt wieder hinwollte – und dieses Mal mit allen. Damals konnten die Partner zwar noch nicht gemeinsam die Angebote nutzen, wie das heute der Fall ist, aber es war trotzdem toll, dass wir drei Wochen lang intensiv Zeit miteinander verbracht haben“, sagt sie. „Wir hatten wieder die Fahrräder dabei, sodass wir ausgiebig die Umgebung erkunden konnten. Gleichzeitig macht das den Kopf frei, finde ich. Es ist einfach schön, hier mit dem Fahrrad unterwegs zu sein.“

„Ich denke, das hat mein Leben umgewälzt“

Vier Jahre später stieß Sandra Blumenstein erneut an ihre Grenzen. „Ich fühlte mich nicht mehr wohl in meiner Ehe, hatte mit mir in meinem Leben zu kämpfen und kam zu der Einsicht, etwas verändern zu müssen“, erinnert sich die 48-Jährige. „Und dann kam auch noch Corona! In 2020 durfte ich dann wieder eine Kur machen und der Ort war völlig klar: Haus Möwennest. Ich war, glaube ich, in der zweiten Kur, die unter harten Corona-Auflagen stattfinden konnte. Diese Zeit hat mein Leben umgewälzt. Ich hatte dort einige therapeutische Gespräche, habe viel über mich erfahren. Nach der Kur, damals mit meinen beiden Töchtern, habe ich Stück für Stück umgesetzt, was wir in den Gesprächen zusammen erarbeitet hatten.“

 
— Wer nicht an einer Kur teilnehmen kann oder möchte: Die Sozialberatung der Stiftungsfamilie hilft Vätern und Müttern kompetent und ganzheitlich: 0800 0600 0800. Oder Sie besuchen ein Eltern- Kind-Coaching. Die gibt es als regionales Tagesseminar oder mehrtägig – auch speziell für Alleinerziehende.

„Es geht uns gut“

Heute treffen wir Sandra Blumenstein erneut in Haus Möwennest – in ihrer vierten Kur, die sie mit ihrer jüngsten Tochter Liese macht. Die Zwölfjährige freut sich sehr darüber, dass einige andere in ihrem Alter da sind. „Ich bin sicher, dass das Team hier auch darauf schaut, wie die Begleitkinder zu­sammenpassen“, vermutet die mittlerweile bei DB Systel arbeitende Mutter augenzwinkernd. „Für Liese ist das toll. Fast so toll, wie die Postkarte, die kurz vor der Kur ins Haus geflattert kam und persönlich an sie adressiert wurde. Da hat sie gleich gesagt, dass sie sich willkommen fühlt und nicht nur als mein Anhängsel. Überhaupt ist das Team hier so freundlich, herzlich und kompetent und man fühlt sich nicht bedrängt oder eingeengt. Dazu das Meer direkt vor der Nase: herrlich! Am Empfang kriegt man übrigens gleich den Tipp, jeden Tag einmal ans Wasser zu gehen, weil es immer anders aussähe. Das ist sowas von richtig! Vielleicht nehme ich gerade deshalb so viel für mich mit.“

Sandra Blumenstein ist mittlerweile getrennt von ihrem Mann. „Wir verstehen uns heute viel besser“, sagt sie. Er ist ein guter Vater und wir erziehen unsere Kinder gemeinsam. Wir hatten zu fünft besprochen, wie unser Weg als Familie sein könnte. Die drei wollten nicht immer ein paar Tage da oder dort sein. Deshalb leben Oscar, Martha und Liese bei mir, und ihr Vater kommt zu ihnen, wann immer er das möchte.“

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01.10.2025
 

Leichter durch schwere Zeiten

Im Programm Peers at work, das die Stiftungsfamilie für Mitarbeitende der Deutschen Bahn umsetzt, unterstützen sogenannte Peers Kolleginnen und Kollegen, die an Depression erkrankt sind. Das Besondere: Die kollegialen Begleiterinnen und -begleiter kennen die Krankheit aus eigener Erfahrung und können so besonders gut über Symptome, hilfreiche Schritte und Anlaufstellen informieren. Wir haben einige der Peers gefragt, wie sich die Krankheit Depression bei ihnen geäußert hat, was ihnen heute Kraft gibt und was sie Kolleginnen und Kollegen wissen lassen möchten, die Symptome bei sich oder anderen wahrnehmen oder vermuten. Folgenschwer und unterschätzt  Insgesamt erkranken in Deutschland jedes Jahr über fünf Millionen Menschen an einer Depression. Aus Angst, Scham oder auch Unkenntnis suchen Betroffene oft keine oder erst sehr spät professionelle Hilfe. Krankheitsbedingte Symptome, etwa Antriebslosigkeit, erschweren es den Betroffenen zusätzlich, Unterstützung zu suchen oder in Anspruch zu nehmen. Das Programm Peers at work erleichtert den Schritt zur Diagnose, Hilfe und Behandlung durch medizinische und therapeutische Fachkräfte.  „Ich wusste nicht, was mit mir los ist“ Sebastian Borrmann arbeitet bei DB Cargo und engagiert sich wie alle Gesprächspersonen dieses Beitrags als Depressionsbegleiter im Programm Peers at work. Vor allem während seines Studiums erlebte er schwere Symptome: „Ich habe mich fast vollständig von der Welt abgeschirmt, war emotionslos und hatte keinen Antrieb. Meinem Umfeld habe ich vorgespielt, dass alles gut ist, weil ich selbst nicht verstanden habe, womit meine Beschwerden zusammenhängen.“ Andere Peers haben im Zusammenhang mit Depression von körperlichen Symptomen berichtet, darunter Schwindel, Verdauungsstörungen, Herzrasen und schwankender Blutdruck, aber auch eine starke, anhaltende Erschöpfung und das Gefühl der Überforderung bei alltäglichen Aufgaben. Innere Unruhe, Panikattacken, ständiges Grübeln, Dünnhäutigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und Schlafprobleme sind weitere mögliche Beschwerden. Die Bandbreite der Symptome ist bei einer Depression umfangreich. Das konkrete Leidensbild kann sich von Person zu Person unterscheiden, wie unser Kooperationspartner, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention, erläutert (Infos unter www.deutsche-depressionshilfe.de). Früh das Gespräch suchen Beatrice Weidner arbeitet bei DB Engineering & Consulting. Aus ihrer eigenen Geschichte heraus rät sie: „Wer Veränderungen und Symptome bei sich feststellt, sollte diese unbedingt und zeitnah hausärztlich abklären lassen, um körperliche Ursachen auszuschließen. Bei mir hat sich die Depression schleichend entwickelt. Heute bin ich überzeugt, dass ich mir vieles erspart hätte, wenn ich mir gegenüber achtsamer gewesen wäre. Darüber zu sprechen, hilft dabei, herauszufinden, wo das eigentliche Problem liegt.“ Verständnisvoll und erfahren In den persönlichen Erfahrungen, die Peer-Beratende in das vertrauliche Gesprächsangebot einbringen, liegt eines der Hauptmerkmale des Programms Peers at work. Wer sich einem Peer anvertraut, muss sich in vielen Fällen nicht erst ausführlich erklären, um einen Perspektivwechsel zu ermöglichen, sondern kann vom Verständnis des Gegenübers für die Situation ausgehen. Eine weitere Besonderheit: Die Peers sind durch ihre persönlichen Erfahrungen nicht nur mit den Symptomen vertraut, sondern kennen Schritte, mit denen die Krankheit zu überwinden oder in ihrer Auswirkung zumindest zu mildern ist. Werkzeugkoffer für den Alltag Nicht immer finden Betroffene die Kraft, in Kontakt mit Menschen zu treten oder auf andere Weise aktiv zu sein. Dennoch gibt es Dinge, die – je nach Schwere der Symptome und begleitend zu einer professionellen Behandlung – eine Linderung im Alltag herbeiführen können. Was die Peers heute tun, um ihre psychische Gesundheit zu stärken? „Ich achte auf meinen Körper, wenn er mir Überlastung signalisiert, und nehme mir Zeit für das, was mir guttut“, sagt Stefanie Givens aus dem DB Projekt Stuttgart-Ulm. „Dazu gehören beispielsweise ausreichend Bewegung, ohne mich dabei zu überfordern, somatisches Training, Meditation und eine gesunde Ernährung. Durch Weiterbildungen versuche ich außerdem, fortlaufend resilienter zu werden.“ Auszeiten in der Natur, mit vertrauten Menschen oder auch allein zu verbringen sowie Handarbeiten wie Häkeln und Basteln nachzugehen oder ein Musikinstrument zu spielen, sind weitere Dinge, die uns Peers genannt haben.  Raus aus dem Verborgenen  „Ich rede mit meiner Partnerin, Freunden und Vertrauten über meine Probleme“, beschreibt Sebastian Borrmann, wie es ihm gelungen ist, mehr Sicherheit im Alltag zu gewinnen. „Ich spreche auch mit Kolleginnen und Kollegen oder sage ihnen, wenn bei mir gerade etwas nicht so gut läuft. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man Mitgefühl und Verständnis bekommt, wenn man offen mit der eigenen Situation umgeht.“ Wie jede andere Erkrankung ist eine Depression behandlungsbedürftig. Wichtig sind leicht zugängliche Angebote, die aufklären und den Weg in die professionelle Behandlung erleichtern. Peers at work ist ein Programm der Stiftungsfamilie im Auftrag der Deutschen Bahn. Die Beratung richtet sich an DB-Mitarbeitende und ist streng vertraulich. Kooperationspartner ist die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Alle Infos zum Programm Peers at work und den Kontakt zu den Peers finden Sie hier auf unserer Website sowie auf DB Planet.

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